Der Text war Teil meiner Diplomarbeit. Später diente er als Sprechertext eines Films von Andreas Geiger, der auf den Filmfesten in Stuttgart, Dresden, Oberhausen und auch auf Festivals im Ausland gezeigt wurde.
zu der arbeit
Motor der Moderne
: Schulung der Beziehungen
: Klärung der Verhältnisse
Film
Supervision Sprechertext
Arbeit: Autorität: Autonomie - der Druck an Hoffnungen und Möglichkeiten,
der von diesen Vorstellungen ausgeht, ist für viele Menschen und Gesellschaften
eine starke Herausforderung ihrer Struktur. Die Beratungsform Supervision, die
seit den fünfziger Jahren in der Sozialarbeit und der psychotherapeutischen
Praxis entwickelt wurde, ist eine berufspezifische Analyse.
Den Beschäftigten sollte die Möglichkeit gegeben sein, das Verhältnis
zu ihrer Arbeit, die Bedingungen, unter denen sie stattfindet, und die Ergebnisse,
zu denen sie führt, aufzuklären. Supervision ist das Modell einer Diskussion
und Aushandlung zwischen Kompromißsuchenden, die den Willen haben, ein
glückliches Team zu sein. Aus dem Beruf soll Arbeit werden, aus Arbeit Aktivität.
In meinem Marsch durch die Überlieferung folgte ich meinem Interesse an
der Veränderung. Bücher wurden gelesen. Musik gehört. Filme gesehen.
Fernsehen geguckt, Zeitungen gelesen.
Das ist das Zeitgeschehen, das verstanden werden will, um daran teilzuhaben,
und dann alles, was schon gemacht wurde - die Geschichte.
Das ergibt einen Haufen Zeug, der sich manchmal wüst im Kopf stapelt. Da
muß man ab und an aufräumen. Nicht unbedingt wegwerfen, aber wenn
man Sachen hin und her schiebt, über sie nachdenkt, werden sie auch schon
kleiner und finden einen Platz.
Mein Arbeitsansatz zu diesem Hin und Herschieben, mein Gestaltungsworkflow geht
so: Wie funktioniert der Einfluß von Kultur? Wann und wie begegnet man ihr und wie übt man sie aus? Was geschah in der Welt, als mir in der Küche der Topf runterfiel? Als die
Menschheit zum Mond flog, wen küßte ich und über was dachte
ich nach? Das sind die interessanten Fragen, und die Antworten sind nicht nur
für einen selbst wichtig.
Sie bilden eine neue, eine andere Form der Geschichtsschreibung,
eigentlich der Geschichtserzählung, die sich als ein Zusammenwirken vieler
Erzähler bildet. Das ist dann Geschichtserzählung, die sich selber ernst nimmt, und nicht
die Fortschreibung einer Herrschaftsgeschichte.
Das wird zu einer Mischung aus Geschichte erzählen, Wissen bilden und weitergeben
und Geschichte erfinden. Man kann auch die Qualität entdecken, einen bestimmten
Gedanken durch Filme, Lieder, Bücher, Personen und Ereignisse hindurch zu
verfolgen und diese Spur aufzuzeichnen.
Dazu macht man Bilder, Lieder, Tänze. Die Qualität dieser Form ist unakademisch. Es wird kein schematisches Wissen
gebildet.
Die Wissensarchitekturen sind frei zugänglich und erweiterbar.
Es ist eine empirische Praxis, die einen unbegrenzten Untersuchungsgegenstand
hat. Gebt der Kultur zurück, was sie euch gegeben hat. Das ist Old School-Wahrnehmung,
es gibt Einzelheiten.
Worum es mir geht, ist, daß in den künftigen supervisorischen Aushandlungen
der expansiven ökonomischen Rationalität eine Sprache und ein Wissen
entgegen gesetzt werden muß, die ihren übermächtigen Druck aus
der Verhandlung nimmt und Möglichkeiten für den Ausgleich aller Rationalitäten
schafft. Ist der ökonomische Druck erst mal genommen, schwindet der Streß,
der Dinge zur Form zwingt, und man kann sich um Befindlichkeiten kümmern,
die zu neuen Ergebnissen der Verhandlungen führen werden. Dazu braucht es
eine solche Sprache, eine solche Überlieferung, ein solches Wissen - eine
genaue, aber bewegliche Beschreibung menschlicher Verfasstheit.
Und bei den Verhandlungen, die um unsere Gesellschaft geführt werden, ist
es gerade das kulturelle System, das immer wieder aufs Neue auf die Realisierung
der Moderne zu drängen hat.
Auf die Frage: 'Worüber willst du sprechen?',
muß die Kultur die Erziehung zur Mündigkeit wählen. Der technologische
Verstehensdruck, der momentan erzeugt wird, ist reine Erpressung. Der ständige
Auswurf an Neuerungen beschämt alle, die so vernünftig sind, sich nicht
andauernd damit beschäftigen zu wollen.
Mit dem Beginn der 80er Jahre fängt auch meine eigene bewußte Erinnerung
an diese Zusammenhänge, an Autorität, Autonomie und Arbeit, an. Mir
fällt ein: Nato-Doppelbeschluß, ich steh auf dem Schulhof mit meiner
Mathelehrerin und demonstriere Händchenhaltend im Schweigekreis dagegen
an. Alle wissen, daß der ganze Planet jederzeit von den Mächtigen
gesprengt werden könnte. Diese Möglichkeit ist unser Begleiter. Genscher
stürzt Schmidt, Schmidt gratuliert Kohl.
Ich mache Abitur, meine Freunde hören Independent-Musik. Ich lese quasi
alles. Alle kiffen. Ich ziehe sofort zu Hause aus und mache keinen Zivildienst
wegen Untauglichkeit, diese soziale Erfahrung fehlt mir. Ich beginne zu studieren,
um dann Journalist zu werden.
Das Außerstudentische, quasi Außerberufliche kaperte mein Leben dann
auch ohne viel Widerwehr vollständig. Alle redeten über Musik, und
das vorwiegend nachts. Freunde luden mich ein in ihrer Rock-Band zu singen. Dieses
Erlebnis stürzte mich zum einen in die Kreativität, zum anderen in
die Öffentlichkeit. Die Band löste sich auf, nachdem die Sozialarbeiter,
die unseren Proberaum verwalteten, uns rausschmissen, weil jemand ihre Würste
gegessen hatte. Wir fanden keinen neuen Proberaum. Wir waren Freunde, keiner
machte Druck und niemand wollte so unbedingt Musik machen. Hinterher machte ich allein Frickelmusik.
Die Zwischenprüfungen an der Uni hauten nicht hin. Kohl vollendete die deutsche
Einheit, auf einmal waren wieder überall Nazis und dann die 80er vorbei.
Die 90er begannen dann so: Ich jobbte, alle waren DJs, ich begann mir Kunst anzusehen.
Ich machte noch ein Praktikum bei einer Fußballzeitung, die Zukunft war
ein Ozean voller Möglichkeiten.
Das Gespräch wird heikel, wenn man über Gefühle redet, aber spannend. Viel Theoriebildung kommt heute wie Lebenshilfe daher. Sie sagt, alles ist sehr
komplex und widerstreitend, und deswegen ist es kein Wunder, wenn viele verschiedene
Gedanken im Kopf sind, wundere dich nicht darüber, sondern lerne, es zu
genießen und hör dann überhaupt auf, das in Frage zu stellen.
Theorie ist aber Aufklärung und Werkzeug zum Arbeiten.
Das Problem ist nun eben eh nicht die Komplexität, sondern die Überbetonung
der Ökonomie als Dynamik und die mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit
der Produktion von öffentlichem Raum, freier Zeit und sozialer Beziehungen
in vergnüglicher Schönheit.
Ich finde die Möglichkeiten, wie man über die Liebe sprechen kann,
sehr interessant. Liebe steckt irgendwie unten in der Supervision.
Bloß sind
Liebe und gelingende Kommunikation zwei verschiedene Tassen Tee. Aber man kann
sie zusammen trinken.
Ohne uns wird hier alles den Bach runtergehen.
Ich sag nur: holt die Leute aus den Fabriken und Werbeagenturen und produziert
keinen Schund.