David Sickinger

TEXTE
/// supervision
/// Dieser Text verbindet Erläuterungen zu dem sozialtherapeutischen Modell 'Supervision', Überlegungen zur Arbeitswelt und persönliche Geschichte.

Der Text war Teil meiner Diplomarbeit. Später diente er als Sprechertext eines Films von Andreas Geiger, der auf den Filmfesten in Stuttgart, Dresden, Oberhausen und auch auf Festivals im Ausland gezeigt wurde.

zu der arbeit

 

Supervision

Motor der Moderne
: Schulung der Beziehungen
: Klärung der Verhältnisse






 

 



Film Supervision Sprechertext



Arbeit: Autorität: Autonomie - der Druck an Hoffnungen und Möglichkeiten, der von diesen Vorstellungen ausgeht, ist für viele Menschen und Gesellschaften eine starke Herausforderung ihrer Struktur. Die Beratungsform Supervision, die seit den fünfziger Jahren in der Sozialarbeit und der psychotherapeutischen Praxis entwickelt wurde, ist eine berufspezifische Analyse.

Den Beschäftigten sollte die Möglichkeit gegeben sein, das Verhältnis zu ihrer Arbeit, die Bedingungen, unter denen sie stattfindet, und die Ergebnisse, zu denen sie führt, aufzuklären. Supervision ist das Modell einer Diskussion und Aushandlung zwischen Kompromißsuchenden, die den Willen haben, ein glückliches Team zu sein. Aus dem Beruf soll Arbeit werden, aus Arbeit Aktivität.

In meinem Marsch durch die Überlieferung folgte ich meinem Interesse an der Veränderung. Bücher wurden gelesen. Musik gehört. Filme gesehen. Fernsehen geguckt, Zeitungen gelesen.

 

Das ist das Zeitgeschehen, das verstanden werden will, um daran teilzuhaben, und dann alles, was schon gemacht wurde - die Geschichte.

Das ergibt einen Haufen Zeug, der sich manchmal wüst im Kopf stapelt. Da muß man ab und an aufräumen. Nicht unbedingt wegwerfen, aber wenn man Sachen hin und her schiebt, über sie nachdenkt, werden sie auch schon kleiner und finden einen Platz.

Mein Arbeitsansatz zu diesem Hin und Herschieben, mein Gestaltungsworkflow geht so: Wie funktioniert der Einfluß von Kultur? Wann und wie begegnet man ihr und wie übt man sie aus? Was geschah in der Welt, als mir in der Küche der Topf runterfiel? Als die Menschheit zum Mond flog, wen küßte ich und über was dachte ich nach? Das sind die interessanten Fragen, und die Antworten sind nicht nur für einen selbst wichtig.

Sie bilden eine neue, eine andere Form der Geschichtsschreibung, eigentlich der Geschichtserzählung, die sich als ein Zusammenwirken vieler Erzähler bildet. Das ist dann Geschichtserzählung, die sich selber ernst nimmt, und nicht die Fortschreibung einer Herrschaftsgeschichte.
Das wird zu einer Mischung aus Geschichte erzählen, Wissen bilden und weitergeben und Geschichte erfinden. Man kann auch die Qualität entdecken, einen bestimmten Gedanken durch Filme, Lieder, Bücher, Personen und Ereignisse hindurch zu verfolgen und diese Spur aufzuzeichnen.

Dazu macht man Bilder, Lieder, Tänze. Die Qualität dieser Form ist unakademisch. Es wird kein schematisches Wissen gebildet.
Die Wissensarchitekturen sind frei zugänglich und erweiterbar.

Es ist eine empirische Praxis, die einen unbegrenzten Untersuchungsgegenstand hat. Gebt der Kultur zurück, was sie euch gegeben hat. Das ist Old School-Wahrnehmung, es gibt Einzelheiten.

Worum es mir geht, ist, daß in den künftigen supervisorischen Aushandlungen der expansiven ökonomischen Rationalität eine Sprache und ein Wissen entgegen gesetzt werden muß, die ihren übermächtigen Druck aus der Verhandlung nimmt und Möglichkeiten für den Ausgleich aller Rationalitäten schafft. Ist der ökonomische Druck erst mal genommen, schwindet der Streß, der Dinge zur Form zwingt, und man kann sich um Befindlichkeiten kümmern, die zu neuen Ergebnissen der Verhandlungen führen werden. Dazu braucht es eine solche Sprache, eine solche Überlieferung, ein solches Wissen - eine genaue, aber bewegliche Beschreibung menschlicher Verfasstheit.

Und bei den Verhandlungen, die um unsere Gesellschaft geführt werden, ist es gerade das kulturelle System, das immer wieder aufs Neue auf die Realisierung der Moderne zu drängen hat.
Auf die Frage: 'Worüber willst du sprechen?', muß die Kultur die Erziehung zur Mündigkeit wählen. Der technologische Verstehensdruck, der momentan erzeugt wird, ist reine Erpressung. Der ständige Auswurf an Neuerungen beschämt alle, die so vernünftig sind, sich nicht andauernd damit beschäftigen zu wollen.

Mit dem Beginn der 80er Jahre fängt auch meine eigene bewußte Erinnerung an diese Zusammenhänge, an Autorität, Autonomie und Arbeit, an. Mir fällt ein: Nato-Doppelbeschluß, ich steh auf dem Schulhof mit meiner Mathelehrerin und demonstriere Händchenhaltend im Schweigekreis dagegen an. Alle wissen, daß der ganze Planet jederzeit von den Mächtigen gesprengt werden könnte. Diese Möglichkeit ist unser Begleiter. Genscher stürzt Schmidt, Schmidt gratuliert Kohl.

Ich mache Abitur, meine Freunde hören Independent-Musik. Ich lese quasi alles. Alle kiffen. Ich ziehe sofort zu Hause aus und mache keinen Zivildienst wegen Untauglichkeit, diese soziale Erfahrung fehlt mir. Ich beginne zu studieren, um dann Journalist zu werden.

Das Außerstudentische, quasi Außerberufliche kaperte mein Leben dann auch ohne viel Widerwehr vollständig. Alle redeten über Musik, und das vorwiegend nachts. Freunde luden mich ein in ihrer Rock-Band zu singen. Dieses Erlebnis stürzte mich zum einen in die Kreativität, zum anderen in die Öffentlichkeit. Die Band löste sich auf, nachdem die Sozialarbeiter, die unseren Proberaum verwalteten, uns rausschmissen, weil jemand ihre Würste gegessen hatte. Wir fanden keinen neuen Proberaum. Wir waren Freunde, keiner machte Druck und niemand wollte so unbedingt Musik machen. Hinterher machte ich allein Frickelmusik.

Die Zwischenprüfungen an der Uni hauten nicht hin. Kohl vollendete die deutsche Einheit, auf einmal waren wieder überall Nazis und dann die 80er vorbei.

Die 90er begannen dann so: Ich jobbte, alle waren DJs, ich begann mir Kunst anzusehen. Ich machte noch ein Praktikum bei einer Fußballzeitung, die Zukunft war ein Ozean voller Möglichkeiten.
Das Gespräch wird heikel, wenn man über Gefühle redet, aber spannend. Viel Theoriebildung kommt heute wie Lebenshilfe daher. Sie sagt, alles ist sehr komplex und widerstreitend, und deswegen ist es kein Wunder, wenn viele verschiedene Gedanken im Kopf sind, wundere dich nicht darüber, sondern lerne, es zu genießen und hör dann überhaupt auf, das in Frage zu stellen. Theorie ist aber Aufklärung und Werkzeug zum Arbeiten.
Das Problem ist nun eben eh nicht die Komplexität, sondern die Überbetonung der Ökonomie als Dynamik und die mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit der Produktion von öffentlichem Raum, freier Zeit und sozialer Beziehungen in vergnüglicher Schönheit.

Ich finde die Möglichkeiten, wie man über die Liebe sprechen kann, sehr interessant. Liebe steckt irgendwie unten in der Supervision.

Bloß sind Liebe und gelingende Kommunikation zwei verschiedene Tassen Tee. Aber man kann sie zusammen trinken.

Ohne uns wird hier alles den Bach runtergehen.

Ich sag nur: holt die Leute aus den Fabriken und Werbeagenturen und produziert keinen Schund.